Der «Krieg der Narrative» hat auch uns erreicht

    Der emotional geladene Nahostkonflikt betrifft viele – auch die Baslerinnen und Basler

    Der Nahostkonflikt ist auch ein «Krieg der Narrative». Was aktuell sehr zu schaffen macht, ist die schier fast unmögliche Aufgabe, dem in gewissen Teilen der Bevölkerung «anerzogenen Hass» auf Israel und auf jüdische Mitmenschen Herr zu werden. Das sorgt für grosse Sorgen bei der jüdischen Gemeinschaft und darüber hinaus.

    (Bild: PEXELS) «Jetzt erst recht» für die eigenen Werte einstehen ist die Devise in Israel und bei Israelfreundinnen und -freunden in der Region. Trotz eines schwierigen Diskurses (auch innerhalb des Landes und innerhalb der vielschichtigen jüdischen Gesellschaft).

    Leider geht es seit Jahrzehnten beim Nahostkonflikt längst nicht mehr um Fakten oder faire Berichterstattung. Der Krieg der Bilder und der Narrative ist in Zeiten von Social Media und der immer vielfältigeren Kommunikationsmöglichkeiten ein strategisch wichtiger Aspekt, um die Meinungshoheit zu erlangen und somit auch geopolitische Entwicklungen und sogar das Weltgeschehen zu beeinflussen. Dass die Hamas oder andere Organisationen ihr Narrativ sehr erfolgreich in ihre Zielgruppen verbreiten zeigt, wie strategisch mitentscheidend diese Art von «Kriegsführung» ist.

    In der aktuellen Eskalation zeigte sich also einmal mehr, wie in Teilen der Gesellschaft beim «Thema Israel» mit unterschiedlichen Wertesystemen gearbeitet wird. Das gilt auch bezüglich der Empörungskultur in einzelnen Kulturkreisen oder bei Gruppierungen. Fakt ist: Über Vorkommnisse in der einzigen Demokratie im Nahen Osten wird gerne geurteilt und kommentiert. Ein Vorwurf vieler Beobachterinnen und Beobachter des Weltgeschehens: Der Wertekompass sei generell unterschiedlich eingestellt. Man erwartet von Israel, dass es jene Werte hochhält, die uns wichtig sind. Auch in Kriegszeiten und auch bei der legitimen Selbstverteidigung. Und gleichzeitig würde vergessen, dass dieser Staat es nicht mit Gegnern zu tun hat, die ein gleiches oder zumindest ähnliches Wertesystem vertreten. Auch würde gerne «Sofa-Analytik» betrieben und nicht berücksichtigt, dass es Kräfte gebe, die eine Auslöschung Israels anstreben und dies ohne Kompromisse. Und zudem dies sich nicht nur auf Israel beziehe, sondern auch alle Jüdinnen und Juden weltweit, wie die Pogrom-Aufrufe der Hamas und Hizbollah verdeutlichen. Für Israel und die Jüdinnen und Juden weltweit gibt es faktisch keinen «Plan B» zu Israel.

    (Bild: zVg) Das Motto von Theodor Herzl hat aktuell mehr denn je eine übergeordnete Bedeutung. Für alle Beteiligten, die an einer guten Lösung interessiert sind.

    Wir wollten nachfragen, wie man bei der Gesellschaft Schweiz-Israel (Sektion Basel) diese ganze Situation und speziell den Aspekt des «Narrativs» beurteilt. Seit 1957 engagieren sich Schweizerinnen und Schweizer in der Gesellschaft Schweiz-Israel (GSI) für gute bilaterale Beziehungen, für Dialog, Respekt, Verständnis und Freundschaft zwischen beiden Ländern. Wir haben mit Patrick Hafner, Präsident der Sektion Basel/Nordwestschweiz der GSI gesprochen.

    Patrick Hafner, die aktuelle Lage in Israel beschäftigt viele Leute. Auch in Basel, wo ja der erste Zionistenkongress stattfand und die Idee des Staates Israel erste konkrete Formen annahm. Wie gross ist die Symbolik, wenn Teile der Basler Gesellschaft sich israelfeindlich geben?
    Es ist schrecklich genug, was Israel in den letzten Tagen und Wochen erleiden musste und immer noch muss. Wenn sich dann noch Teile der Gesellschaft FÜR die terroristischen Angreifer einsetzen, wird es völlig unverständlich. Natürlich gibt es auch Menschen, die sich für die palästinensische Zivilbevölkerung einsetzen möchten, welche ebenfalls unter dem terroristischen Regime in Gaza leidet. Genau da wird es aber sehr schwierig: Wie soll sich Israel gegen Terroristen wehren, wenn diese ihre eigene Bevölkerung als Schutzschilde missbrauchen und nicht nur in Kauf nehmen, sondern geradezu darauf abzielen, dass es möglichst viele zivile Opfer gibt, um dann Israel die Schuld daran zu geben?

    Es ist heutzutage schwierig geworden, ohne Anfeindungen für etwas einzustehen. Besonders bei so sensiblen Themen wie dem Nahostkonflikt. Besonders heikel ist dies, wenn man sich für Israel einsetzt. Wie kann die GSI Basel eine differenzierte Wahrnehmung des Staates Israel erzeugen?
    Wir können uns dafür einsetzen, dass möglichst viele Menschen, die ein einseitiges Bild von Israel vertreten, auch erfahren, wie die jeweilige Situation aus der Sicht Israels aussieht. Das betrifft nicht nur die aktuelle politische Situation, sondern viele weitere Aspekte und Themen.

    Welche Themen stehen bei Ihrer Arbeit dabei im Vordergrund?
    Wir möchten aufzeigen, dass Israel ein Land mit unzähligen positiven Seiten ist – trotz seiner geopolitisch schwierigen Lage, eingekesselt von Feinden, die es am liebsten vernichten wollen. Angefangen bei landschaftlicher Schönheit und attraktivem Tourismus, über kulturelle Vielfalt bis zu ausserordentlichen Erfolgen im Start-Up-Bereich, bei Forschung und Innovation und Vielem mehr.

    Wie wird der Diskurs, der Austausch gepflegt?
    Wir bieten immer wieder Anlässe an, die auch zum Diskurs einladen. Zudem pflegen wir einen regen Austausch mit anderen Organisationen mit ähnlichen Zielen.

    Wie kann man sich die Hintergrundarbeit einer GSI beziehungsweise der Basler Sektion vorstellen?
    Wir sind vor allem dazu da, für unsere Mitglieder interessante Anlässe anzubieten – eigene und solche von Partnerorganisationen. Unsere Dachorganisation, die GSI Schweiz, ist sehr vielfältig involviert: So wird sehr genau geschaut, wie in den Medien berichtet wird. Und es erfolgen auch immer wieder Interventionen, wenn Israel einseitig dargestellt wird. Zudem pflegt die GSI Schweiz intensive Kontakte mit Politik, Medien und Interessensorganisationen.

    Wie kann die GSI Basel in der aktuellen Situation konkret helfen?
    Als Freundschaftsgesellschaft können wir vor allem aufklären und unsere Mitglieder zum Beispiel auf Spendenmöglichkeiten hinweisen. Und natürlich unterstützen wir Israel und alle friedliebenden Menschen in Nahost moralisch.

    Es gibt leider viel Halbwissen (oder manchmal gar keines) zum Thema Nahostkonflikt. Stammtischdiskussionen und inhaltlich bedenkliche Meinungsäusserungen in den Foren reichweitenstarker Publikationen lassen tief blicken. Wie kann man da entgegen wirken und aufklären?
    Wir versuchen bei allen Gelegenheiten differenzierte Antworten zu geben und unseren Mitgliedern verlässliche Informationen bereitzustellen, damit diese bei Bedarf entsprechende Materialien zur Hand haben.

    Welchen persönlichen Wunsch hätten Sie Bezug nehmend auf Israel und dessen Wahrnehmung bei den Menschen der Region?
    Ich würde mir wünschen, dass – sobald das wieder möglich ist – viele Menschen Gelegenheit haben, Israel vor Ort zu erleben. Das ist bei Weitem der überzeugendste Weg, kritische Menschen dazu zu bringen, Israel zu anerkennen oder gar Freunde von Israel zu werden.

    Eine persönliche Frage: Was gefällt Ihnen ganz speziell an Israel?
    Israel ist die einzige und zudem glaubwürdige Demokratie im Nahen Osten.

    ChSta


    (Bild: zVg) Seit 1957 engagiert sich die Gesellschaft Schweiz-Israel (GSI) für gute bilaterale Beziehungen, für Dialog, Respekt, Verständnis und Freundschaft zwischen beiden Ländern.

    Spannende Einblicke

    Wer möchte Israel aus neuen Blickwinkeln sehen und die Bevölkerung verstehen und kennenlernen? Israel hat viel mehr zu bieten als das, was man mehrheitlich in den Medien mitbekommt. Wer die vielen Facetten dieses spannenden und innovativen Landes kennenlernen will – hier ist die Anlaufstelle: www.schweiz-israel.ch/mitglied-werden.html


    Die Bedeutung von Basel als «Geburtsort»

    In diesem Jahr finden zum 125. Jubiläum der Geburtsstunde des Staates Israel einige Festivitäten statt zu Ehren des ersten Zionistenkongresses 1897, der im Stadtcasino stattfand. Dieser sollte eigentlich in München stattfinden. Dies scheiterte aber an der strikten Ablehnung der dortigen religiösen Instanzen – vornehmlich des Rabbinats. Als Alternative fand man Basel, wo der Kongress von David Farbstein organisiert wurde und vom 29. bis 31. August 1897 unter dem Vorsitz Theodor Herzls (verstarb 1904) stattfand. Dort wurde das Basler Programm formuliert.

    «Der Zionismus erstrebt die Schaffung einer öffentlich-rechtlich gesicherten Heimstätte für Juden.» Um dieses Ziel zu erreichen, gründeten die 204 Abgesandten von jüdischen Gemeinden aus aller Welt die WZO und wählten den Tagungsleiter und Initiator Theodor Herzl zu deren erstem Präsidenten. Das Programm folgte Herzls politischer Vorstellung, den jüdischen Staat nicht durch ungesicherte Besiedlung Palästinas, sondern durch diplomatische Verträge mit den europäischen Grossmächten zu erreichen. Nach Abschluss des Kongresses schrieb Herzl am 3. September 1897 in sein Tagebuch: «Fasse ich den Baseler Congress in ein Wort zusammen – dass ich mich hüten werde öffentlich auszusprechen – so ist es dieses: in Basel habe ich den Judenstaat gegründet. Wenn ich das heute laut sagte, würde mir ein universelles Gelächter antworten. Vielleicht in fünf Jahren, jedenfalls in fünfzig wird es Jeder einsehen.»


    In eigener Sache

    Dieser Artikel soll nicht als politisches Statement oder als Positionierung beziehungsweise als Parteinahme verstanden werden. Er will lediglich auch einen Aspekt dokumentieren, der in den Berichterstattungen zum aktuellen Nahostkonflikt nicht oft zur Sprache kommt.

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