«Es ist ein ganz besonderer Event!»

    Eine Premiere findet am Wochenende vom 27. bis 29. August in Basel statt: Die neu gegründete Wolfstieg-Gesellschaft – die Abordnung Schweiz – führt das erste Kolloquium durch. Dabei sind nicht nur Mitglieder und Freimaurer, sondern auch alle Interessierten willkommen. Giovanni Grippo, Pressesprecher der Wolfstieg-Gesellschaft, gibt einen Einblick in die Welt der Freimaurerlogen sowie die Tätigkeit der Wolfstieg-Gesellschaft.

    (Bilder: zVg) Giovanni Grippo, Pressesprecher der Wolfstieg-Gesellschaft: «Freimaurer streben danach, dass alle Menschen auf gleicher Ebene miteinander interagieren können.»

    Erklären Sie unseren Leserinnen und Lesern kurz was die Wolfstieg-Gesellschaft ist?
    Giovanni Grippo: Die 2020 wieder gegründete Wolfstieg-Gesellschaft ist ein deutscher Verein zur Förderung unabhängiger freimaurerisch-wissenschaftlicher Forschung. Ziel des Vereins ist es u.a. die nicht-freimaurerische Öffentlichkeit über die Freimaurerei aufzuklären, verschiedene in- und ausländische Forschungskreise zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zu vernetzen sowie Freimaurern und Nichtfreimaurern eine Gesprächsplattform zu bieten.

    Die Wolfstieg-Gesellschaft beschäftigt sich mit der Freimaurerei. Ist die Freimaurerei eine Religion?
    Die Freimaurerei hat u.a. Symbole, die auch religiös gedeutet werden können, wie beispielsweise die Bibel, aber sie selbst ist keine Religion. Sie verspricht kein Heil im Jenseits. Sie ist komplett Diesseitsbezogen und daher keine Religion. Die Wolfstieg-Gesellschaft beschäftigt sich zudem auch mit an der Freimaurerei angrenzende Themen.

    Welchen Zweck hat die Freimaurerei?
    Freimaurer streben danach, dass alle Menschen auf gleicher Ebene miteinander interagieren können. Eine freimaurerische Überzeugung ist es, dass sich jeder Mensch in seinem Denken, Wollen und Handeln optimieren kann. Voraussetzung dafür ist aber die geistige innere Wandlung, die manche Freimaurer traditionell als «Metanoia» bezeichnen.

    Die Bruderschaft der Freimaurer entstand ursprünglich in England in einem christlichen Kontext. Wie stark spielt das Christentum heute noch eine Rolle?
    Das zuvor erwähnte Beispiel der Bibel kann auch christlich gedeutet werden, aber jeder kann Freimaurer werden – egal welchen Glaubens er ist. Das Christentum spielt daher heute keine grosse Rolle mehr, obwohl bei manchen Logen das eine Voraussetzung für die Aufnahme sein kann.

    Das erste Kolloquium der neu gegründeten Wolfstieg-Gesellschaft in der Schweiz findet vom 27. bis 29. August in Basel statt. Alle Interessierten sind willkommen.

    Die Freimaurer werden auch immer wieder mit dem heute eher negativen besetzten Begriff der Esoterik in Verbindung gebracht. Ist da etwas Wahres daran?
    Das Wort «Esoterik» bedeutet zunächst nur «Erkenntnisse, die nur in einer geschlossenen Gruppe weitergegeben werden». In diesem Sinne ist die Verbindung zur Esoterik legitim. Alles das, was heute allgemein mit dem Begriff «Esoterik» negativ assoziiert wird, das findet sich nicht in der Freimaurerei.

    Die Freimaurer sind eine Bruderschaft, ist das bis heute so geblieben oder hat auch das weibliche Geschlecht Zugang?
    Das ist ein weit verbreiteter Irrtum. Es gab und gibt gemischte sowie Frauen-Logen zu Hauf. Es wird keinem Menschen der Zugang zur Freimaurerei verwehrt; aber es gibt eben auch Logen, in denen ausschliesslich Frauen oder Männer zugegen sind. Interessant daran ist, dass die Wolfstieg-Gesellschaft Freimaurerinnen, Freimaurern sowie Freimaurerlogen die Mitgliedschaft anbietet. Zudem hat Alessandro Graf von Cagliostro, um den es dieses Jahr im WSG-Kolloquium in Basel geht, selbst unzählige gemischte und Frauenlogen in Europa gegründet. (Wir reden hier vom 18. Jahrhundert.)

    Die Wolfstieg-Gesellschaft ist eine deutsche Gesellschaft zur Förderung freimaurerisch wissenschaftlicher Forschung, die erstmalig 1913 gegründet wurde. Ihr Namensgeber ist August Wolfstieg (1859–1922), Verfasser der Bibliographie der Freimaurerischen Literatur und Gründer der ersten Bibliothekarinnenschule.

    Wer sind die Mitglieder der Wolfstieg-Gesellschaft?
    Die Mitglieder sind aus allen Altersgruppen und Gesellschaftsschichten. Sie verstehen sich nicht nur als Förderer der unabhängigen Freimaurer-Forschung, sondern auch als Mitgestalter einer besseren und gemeinsamen Zukunft, die aus der Vergangenheitsforschung erwächst. Heute hat die Gesellschaft Mitglieder aus verschiedenen Ländern, wie z.B. Brasilien, Dänemark, England, Irland, Italien, Kanada, den Niederlanden, Österreich, der Schweiz und Ungarn.

    Wie hat sich die Wolfstieg-Gesellschaft in der Schweiz angesiedelt?
    Recht früh nach der Neugründung in den Pandemie-Lockdowns haben sich Befürworter und Unterstützer in der Schweiz gefunden – Freimaurer und Nichtfreimaurer gleichermassen. In Basel wurde die erste Abordnung ins Leben gerufen, so heissen die Vertretungen vor Ort. Diese können von Freimaurern, Freimaurerinnen, Ehrenmitgliedern und Nichtfreimaurern geführt werden.

    Die Abordnung Schweiz führt am Wochenende vom 27. bis 29. August ein Präsenz-Kolloquium in Basel durch. Was beinhaltet dieser Event und welche Bedeutung hat er für die Wolfstieg-Gesellschaft?
    Es ist das erste Kolloquium der neu gegründeten Gesellschaft in der Schweiz, daher ist dieser Event etwas ganz Besonderes. Am Freitag, 26.08., findet eine «Weisse Loge» im Basler Logenhaus statt. Man kann sich darunter eine Art Willkommenszeremonie im Freimaurer-Tempel für alle Teilnehmer vorstellen. Am Samstag werden vier Vorträge in der Orangerie im Sarasinpark in Riehen abgehalten. Und um das Wochenende abzurunden, findet eine freimaurerische Führung durch Basel mit dem Autoren Dr. Kriemler statt.

    Das Programm steht unter dem Titel «Cagliostro, Basel und die Maurerei». Was erwartet hier die Teilnehmenden?
    Am Samstag werden die unterschätzte Alchemie sowie Cagliostros Weg nach Basel, Rudolf Steiners Beziehung zu ihm und seiner «Ägyptischen Freimaurerei», aber auch die Wiege der ägyptischen Freimaurerei im 18. Jahrhundert im Allgemeinen, erläutert.

    An wen richtet sich dieser Event – nur an Ihre Mitglieder oder können auch andere Interessierte kommen?
    Es sind alle an Basel, an Cagliostro und an der Freimaurerei Interessierte willkommen. Für die Teilnahme an unseren Kolloquien muss man kein Mitglied oder Freimaurer sein. Die Teilnahme ist kostenpflichtig. Die Einladung und die weiteren Angaben können auf der WSG-Homepage www.wolfstieg-gesellschaft.org eingesehen werden.

    Die Welt ist im Wandel und es hat sich viel verändert seit der Gründung der Wolfstieg-Gesellschaft 1913. Wie geht Ihr Verein damit um, respektive wie passt er sich der modernen Zeit an?
    Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde über die Reaktivierung der Wolfstieg-Gesellschaft nachgedacht, jedoch ist es auf Grund des damals deutlich geschwächten Zustands der Freimaurer in Deutschland nicht mehr dazu gekommen. Erst am 27.05.2020 trafen sich die Gründungsmitglieder zum 98. Todestag des Namensgebers. Am 30.05.2020 wurde die «Wolfstieg-Gesellschaft» mit Sitz in Bad Homburg vor der Höhe wiedergegründet. Mit den stetigen Online-Angeboten und den Kolloquien in Deutschland, in der Schweiz und bald auch in Frankreich und Österreich erfüllt die Gesellschaft einen über 100-jährigen Förderauftrag mit moderner Umsetzung.

    Interview: Corinne Remund

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