Die Börsenmärkte haben wiederum ein phantastisches erstes Halbjahr hinter sich und mancher Anleger fragt sich, wie es weitergeht. Die Banken sind derzeit nicht allzu hilfreich. Ein Freund sagte mir, seine Bank würde derzeit keine Anlagen in den Aktienmarkt tätigen, geschweige denn Ratschläge geben. Ist ja klar, denn wenn die Anlagemeinung zu positiv ausfällt und das Gegenteil eintritt, kann sich ein Haftungsfall entwickeln. Also lieber nichts sagen, lautet die Devise!
Das hilft dem Anleger nicht, denn unabhängig davon bewegt sich die Wirtschaft weiter und die entsprechenden Börsen ebenfalls. Alte Weisheiten der Börse wie: «sell in May and go away» (verkaufe im Mai und gehe weg), bewahrheiten sich schon lange nicht mehr. Die Wertschriftenmärkte sind mittlerweile so global und digital und damit schnell geworden, dass jeder sich bewusst machen sollte, welches Risiko er eingehen möchte. Dabei ist heute ein viel kürzerer Zeithorizont gefragt, denn eine «buy and hold» (kaufen und halten)- Strategie ist zwar weise, aber die Schnelligkeit der Ereignisse verlangen nach flexibleren Strategien.
Also erlaube ich mir, Ihnen meine persönliche Meinung für den Verlauf des restlichen Jahres zu geben. Wie sagt man so schön: Ohne Gewähr!
Über die letzten zwölf Monate wurde die Welt durch zwei Ereignisse durchgeschüttelt: Das Erste war eine «Ent-Globalisierung», angefacht durch Trumps «America First»-Politik und damit das Ende des freien Handels und einem Handelskrieg mit seinen wichtigsten Handelspartnern, nämlich in erster Linie China, aber auch Europa. Eine Abschottung war die Folge, und das hatte einen grossen Einfluss auf das Produktionsverhalten vieler Länder und natürlich auch auf das Anlegerverhalten. Das zweite grosse Ereignis ist der Klimawandel, der diverse Bereiche der Wirtschaft beeinflusst. Das Erreichen der Pariser Klimaziele steht mehr denn je im Vordergrund und damit alles, was damit zusammenhängt.
Die Folge davon war eine Verlangsamung des Wachstums der Weltwirtschaft, vor allem in Europa und speziell Deutschland (angeführt durch die Automobilindustrie, die durch den Handelskrieg stark getroffen wurde), aber auch in China. Daraus ergaben sich tiefere Exporte aus den aufstrebenden Märkten und eine Abflachung der Exporte aus den industrialisierten Ländern. Seit 2008 hatten wir permanent ein stärkeres Wachstum im Handel als im Wachstum des Bruttosozialproduktes, was sich jetzt gekehrt hat.
Dieser Umstand macht die Zentralbanken leicht nervös, denn sie haben wenig «Munition», falls eine mögliche Rezession eintreten sollte. Die sogenannte Quantitative Lockerung (oder QE von englisch quantitative easing) bezeichnet eine unkonventionelle Form der Ausweitung der Geldbasis durch eine Zentralbank. Dabei kauft die Zentralbank meist langfristige private oder öffentliche Wertpapiere von den Geschäftsbanken auf, zum Beispiel Staatsanleihen. Durch diese Käufe wird die Geldbasis erhöht. Kurz: Zentralbanken ergreifen diese Massnahme, wenn konventionelle Geldpolitik mittels Senkung des Leizinses nicht greift, weil die kurzfristigen Zinsen bereits bei null oder darunter liegen. Die Quantitative Lockerung zielt darauf ab, über die Senkung der langfristigen Zinsen am Anleihemarkt und die Bereitstellung von zusätzlicher Liquidität im Bankensystem die Inflation näher an das von der Zentralbank ausgegebene Inflationsziel heranzuführen. Momentan sind die Europäischen Zinsen bereits bei negativen 40 Basispunkten, d.h. man muss draufzahlen, wenn man eine Staatsobligation kaufen will. Auch in der Schweiz belastet die Nationalbank bereits 0.75% Negativzins für grosse Liquiditätssummen, und ein Ende ist nicht abzusehen. Die Staatsobligationen der meisten europäischen Länder sind auf tiefstem Niveau und für Anleger völlig unattraktiv. Besser sieht es für die Staatsanleihen der USA aus, weil die USA immer noch wächst und sich erst noch im längsten Wachstumszyklus seit dem zweiten Weltkrieg befindet.
Was bedeutet das für die Finanzmärkte? Die Aktienmärkte zeigen zum Teil sehr gute Renditen und sind die einzige Alternative zu den Obligationenmärkten. Das Dividendenwachstum der Firmen in den Leitindizes zeigen ein ungebrochenes Wachstum, und dies seit sieben Jahren. Das bedeutet für mich, dass man in einem ausgewogenen Anlageportfolio auf jeden Fall die Obligationen untergewichten sollte. Früher hiess es, dass Obligationen in einem Portfolio der Kern der Anlagen sein sollten – diese Zeiten sind längst vorbei. Vor allem vor dem Hintergrund (wie oben erwähnt), dass vor allem die europäische Zentralbank ein weiteres Quantitatives Lockerungspaket für den Herbst angekündigt hat (Draghi), was noch tiefere Zinsen nach sich ziehen wird, wenn das überhaupt noch möglich ist.
Ein weiterer Faktor, der für Aktien spricht, ist, dass die Bewertungen der Märkte (d.h. die Kurs/Ertrags-Koeffizienten der Aktien) noch einigermassen vernünftig sind und noch Raum besteht. Schliesslich darf man auch nicht vergessen, dass die Trump- Administration auf Wahlen zusteuert (2020), und alles daransetzen wird, dass die Wirtschaft in den USA, die immer noch mit Abstand die grösste Volkswirtschaft der Welt ist, sich weiterhin positiv entwickelt. Also würde ich eine klare Übergewichtung des Aktienanteils in einem Portfolio anpeilen. Natürlich muss man mit einer gewissen Volatilität (Ausmass der Schwankung von Preisen, Aktien- und Devisenkursen, Zinssätzen oder auch ganzen Märkten innerhalb einer kurzen Zeitspanne) leben. Diese wird in erster Linie durch geopolitische Ereignisse angefacht, wie zum Beispiel eine Verschärfung des Handelskriegs, ein ungeordneter Brexit, ein Kriegskonflikt im Mittleren Osten (Iran!), oder der weitere Aufstieg des Rechtspopulismus in Europa. Auf der positiven Seite könnte sich ein Umdenken in der Klimapolitik durchsetzen und die letzten Zweifler endlich überzeugen, dass wir sofort agieren müssen. Wie der WWF kürzlich verkündete, verbrauchten wir per 29. Juli dieses Jahres bereits die ganzen natürlichen Ressourcen unseres Planeten für das Jahr 2019. Mit unserem Lebensstil in der Schweiz bräuchten wir drei Planeten, wenn wir so weitermachen. Diese ganze Problematik ist jedoch ein Thema für sich.
Im Bereich des «Cash»-Management (also der Liquidität) würde ich eine Reserve aufbauen, um Opportunitäten in den Märkten kurzfristig auszunutzen. Dabei müssen Sie jedoch aufpassen, dass ihre Bank ihnen nicht plötzlich Negativzinsen aufbrummt. Darum – falls sie mit einer grossen Liquidität fahren – gehen Sie in einen Geldmarktfonds und parkieren das Geld dort.
Zum Schluss die sogenannten «Alternativen» Anlagen. Das sind Edelmetalle, Investitionen in Infrastrukturprojekte, sogenanntes «Private Equity», d.h. Investitionen in private Firmen, die nicht an der Börse kotiert sind, etc. Hier würde ich eine Goldposition aufbauen, denn in unsicheren Zeiten steigt der Goldpreis, wie man in letzter Zeit gesehen hat. Dabei würde ich nicht physisches Gold kaufen, sondern Zertifikate, die von Banken ausgegeben werden und besser handelbar sind. Bei einem grösseren Portfolio würde ich sicher in den einen oder anderen «Private Equity»-Fonds investieren. Ihre Bank kann Ihnen hoffentlich hier ein paar Angebote machen. Zu guter Letzt: Ich bin ein Fan von Kryptowährungen. Diese sind sicher nicht jedermanns Sache und man muss sich sehr gut mit der Materie beschäftigen. Ich würde aber unter Edelmetallen eine Position in Bitcoin oder Ethereum (die beide grössten und bekanntesten Kryptowährungen) halten. Die Haltefrist ist hier sicher von Bedeutung, denn es braucht einen längeren Atem.
Ich hoffe, Ihnen für den Rest des Jahres ein paar Ideen gegeben zu haben. Bleiben Sie am Ball!
Eric G. Sarasin
ZUR PERSON
Eric G. Sarasin ist Inhaber seiner Familienfirma «White Sail Consulting AG», von welcher er aus verschiedene Verwaltungsratsmandate inne hat, in Unternehmen investiert und Jungfirmen berät. Er ist in diversen wohltätigen Organisationen aktiv, wie bei der Krebsliga beider Basel, der Stiftung «Race for Water» und in mehreren Stiftungsräten.
Eric G. Sarasin ist verheiratet mit einer Amerikanerin und Vater von vier Kindern. Zu seinen Hobbies gehören sportliche Aktivitäten wie Joggen, Yoga, Golf, Fussball und Langlauf. Zudem interessiert er sich für die Filmwelt und Politik.