Jugendliche in der Fremde

    Fachtagung zum Umgang mit Vielfalt und Migration

    Nach Themen wie Neue Medien und Konsum in den vergangenen Jahren stand an der 3D-Tagung 2017 die Migration von Jugendlichen im Fokus. Patentlösungen zu diesem Thema gibt es keine. Die Teilnehmer können ihre wichtige Arbeit aber mit aktualisiertem Wissen und mehr Sicherheit angehen.

    (Bild: © Beat Eglin) Migranten erzählen über ihre Erfahrungen in der Schweiz

    Am Vormittag lieferten Fachreferate und Diskussionen die Grundlagen, welche am Nachmittag in Workshops vertieft wurden. Die grosse Bedeutung des Anlasses demonstrierte Regierungsrat Thomas Weber. Für ihn ist es eine wichtige Aufgabe des Staates, «Rahmenbedingungen zu schaffen, die allen Kindern und Jugendlichen eine gute Entwicklung ermöglichen. Wir stehen vor der Tatsache, dass in unserem Kanton über ein Viertel von ihnen (Kindergarten bis Sekundarstufe II) in fremdsprachigen Haushalten aufwachsen.» Ein Drittel der in unserem Kanton wohnenden Menschen ab 15 Jahren haben einen Migrationshintergrund. Migration, Integration, Kulturunterschiede, Werte und Normen, Religion und Rechtsordnung bekommen vor diesem Hintergrund eine ganz andere Bedeutung und Tragweite.

    Akzeptanz des Fremden verändert sich
    Professor Walter Leimgruber (Uni Basel) beschreibt die Migration als «Ausnahmezustand und Unterbrechung des Normalzustandes.» Mit dem Entstehen von Nationalstaaten wurden die Menschen zur Sesshaftigkeit gezwungen und wandernde Bevölkerungsgruppen benachteiligt. «Der liberale Staat setzte der Einwanderung anfänglich keine Hindernisse entgegen», sagte er. Nach dem zweiten Weltkrieg gab es eine Einwanderungswelle, weil Arbeitskräfte benötigt wurden. Die Grenzen des Akzeptierbaren verschoben sich laufend, was auch jetzt noch feststellbar ist. So wurden Italiener oder Tamilen als Fremde in die Schweiz geholt, sind aber heute akzeptiert und integriert. Auch die Schweizer passten ihren Lebensstil an. Pasta, Pizza, Espresso oder exotische Gerichte sind aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken. «Die Integration der Sozialpolitik in Zukunft heisst Bildungspolitik. Integration von Migranten muss rasch erfolgen und darf nicht auf die zweite Generation verschoben werden.» Leimgruber verlangt, dass Kinder in der Schule früher gefördert werden und erst später selektioniert wird. Und die Menschen, die schon im Arbeitsprozess stehen, sollen unterstützt und weitergebildet werden. «Diese Kosten sind geringer als wenn sie aus dem Arbeitsprozess fallen und dem Sozialsystem zur Last fallen», erklärte er.

    Integration als Bereicherung für die Schweiz
    Ron Halbright wagte sich an die Definition des Migrationshintergrundes. Besteht ein Unterschied, ob die Grossmutter aus Österreich oder Nigeria stammt? Für ihn ist Integration eine gegenseitige Chance, mit der wir alle bereichert werden. Wir müssen auch mit der Vielfalt umgehen können und mehr über andere Ethnien und Religionen wissen, um sie zu verstehen? Wussten Sie, dass die Orthodoxen Weihnachten nicht zwei Wochen später feiern als wir, sondern die westliche Kirche diesen Feiertag vorverschoben hat? Dieses Beispiel zeigt, dass Antworten oft ganz einfach sein können. Und Ferien definiert er so: «Man zahlt Geld dafür, um an einen Ort zu gehen, wo Schweizer Tugenden ignoriert werden!»

    Das wesentliche Fazit aus der Diskussionsrunde: Freundschaften und Kontakte zu Einheimischen sind sehr wichtig, um Sprache und Kultur zu lernen, was wiederum zu einer besseren und schnelleren Integration führt. Dazu braucht es Mut und die Erkenntnis, dass Schwierigkeiten nicht immer als negativ angeschaut und nur auf die eigene Person bezogen werden.

    Workshops
    Zum Beispiel: Ein Kind erzählt dem Sozialarbeiter in einem vertraulichen Gespräch, dass es zu Hause geschlagen wird. Eine Unterredung mit seinen Eltern lehnt es ab. Wie muss die Fachperson reagieren? Soll man bei Schweizer Familien härter durchgreifen und bei Familien aus fremden Kulturen stillschweigend sein Einverständnis zu diesem Verhalten geben? Beim Verhalten der Fachperson war man sich uneinig über die Folgen für das Kind und die Familie, wenn sie eingreift. «Wenn ich das Vertrauen des Kindes breche kommt niemand mehr zu mir», sagte ein Sozialarbeiter in der Runde.

    Ein grosses Dilemma und Gewissenskonflikte sind die Folge. Die jährliche 3D-Tagung zu einem Thema aus dem Jugendbereich wird von der Baselbieter Bildungs-, Kultur- und Sportdirektion, Sicherheitsdirektion und Volkswirtschafts- und Gesundheitsdirektion veranstaltet. Sie bietet Fachpersonen aus Verwaltung, Gemeinden, Schulen, nichtstaatlichen und privaten Organisationen und interessierten Fachpersonen Gelegenheit, sich zu informieren und auszutauschen.

    Beat Eglin

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