AVCH Präsidentin Terry Tschumi über nachhaltige Weiterbildung in der Berufswelt der Zukunft
Was bietet uns der Arbeitsmarkt in naher Zukunft? Wo lohnt es sich, eine Weiterbildung zu machen und «modernes Fachwissen» mit Praxisbezug zu erwerben. Mit diesen wichtigen Fragen setzt sich Terry Tschumi aus Reinach/BL auseinander.
Terry Tschumi ist die neue Präsidentin des Berufs- & Fachverbands für Ausbildungsfachleute AVCH. Die Schulleiterin der höheren Fachschule TEKO Basel wird in ihrer neuen Funktion beim Verband vor allem den fachlichen und persönlichen Austausch unter Ausbildenden, Erwachsenenbildnern, Beratern, Coaches, Supervisoren und Betrieblichen Mentoren stärken, so dass sich dieser breite Berufsstand in der Schweiz qualitativ weiterentwickelt. Sie ist ausserdem als Schulleiterin besonders darauf spezialisiert, Berufsleuten passgenaue und nachhaltige Weiterbildungen in zukunftsträchtigen Berufen aufzuzeigen.
Terry Tschumi, Sie haben sich als Schulleiterin darauf spezialisiert, moderne und praxisorientierte Weiterbildungs-Lehrgänge zusammen zu stellen, bei welchen die Teilnehmenden gleich nach ihrem Diplom genug Wissen haben, um direkt in die Berufswelt einsteigen zu können. Welches sind die Herausforderungen, die Sie berücksichtigen müssen?
Terry Tschumi: Der Arbeitsmarkt befindet sich laufend im Wandel. Da ist es wichtig, die Weiterbildungen entsprechend aktuell zu halten. Der Austausch mit der Wirtschaft und den Organisationen der Arbeitswelt (OdA) gehören hierfür genauso dazu wie die Berücksichtigung der praktischen Ausgestaltung der Bildungsgänge – also nicht nur Theorie sondern auch Anwendung und Transfer sind wichtig. Das TQM (Total Quality Management) gehört für eine anständige Bildungsinstitution ebenso dazu. Eine ISO- und euQua-Zertifizierung bestätigt die entsprechenden Qualitätsmerkmale. Diese wollen laufend gepflegt und aktualisiert werden.
Dafür braucht es aber auch die richtigen Dozentinnen und Dozenten. Wie ist da Ihre Philosophie?
Terry Tschumi: Unsere Dozierenden bringen nicht nur das fachliche Wissen mit sondern sind jeweils im entsprechenden Bereich, den sie unterrichten, beruflich tätig. Sie bringen somit die nötige praktische Erfahrung mit, von der die Studierenden sehr profitieren. Gleichzeitig sind die methodisch-didaktischen Fähigkeiten seitens der Dozierenden wie auch die Freude an der Materie unerlässlich.
Warum ist die Wahl einer Weiterbildung heute mehr denn je eine strategische?
Terry Tschumi: Der ständige Wandel in der Arbeitswelt und die neuen Anforderungen an einen Beruf bedingen, dass man eine Weiterbildung wählt, die mit diesen Trends mitgeht und entsprechend darauf vorbereitet. Es ist zudem wichtig, dass sich Studierende sicher sein können, die richtige Weiterbildung gewählt zu haben und die nötigen Voraussetzungen dafür mitzubringen. Hierfür ist ein persönliches Gespräch von Vorteil, an dem die Motivation sowie die bisher erbrachten Leistungen genau unter die Lupe genommen werden können. Oft finden die Interessenten selbst erst im Gespräch heraus, was sie wirklich wollen und für sie am meisten Sinn macht. Werden die persönlichen Ziele mit den Marktchancen verbunden, ist man schliesslich «strategisch unterwegs» und sichert sich so die besseren Erfolgschancen für den eigenen Karriereweg.
Sie beschäftigen sich auch mit Trendscouting. Welche Berufe in den Bereichen Technik, Wirtschaft und Handel werden in den kommenden Jahren besonders attraktiv und welche Weiterbildungswege empfehlen Sie?
Terry Tschumi: Momentan ist vor allem der Bereich «Energie und Umwelt» sehr aktuell. Dieses «grüne Thema» ist – meines Erachtens zurecht – omnipräsent und ein sehr sinnstiftender Bereich. Gerade die Sinnhaftigkeit ist den jungen Leuten immer wichtiger. Auch Informatiker/innen sind sehr gesucht und es besteht schweizweit weiterhin ein grosser Mangel, den es abzudecken gilt. Ein dritter Zweig, der vom Markt immer wieder gesucht wird, sind Betriebswirtschafter/innen, welche als Generalisten sehr vielseitig einsetzbar sind. Ich könnte Ihnen noch viele mehr aufzählen. Es gibt also mehrere Züge, auf die aufgesprungen werden kann. Wichtig ist herauszufinden, was zu einem selbst am besten passt und wo der Markt Chancen bietet.
Wie sind die Erfolgsquoten? Ist die Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt bei Diplomierten mit diesen Abschlüssen jetzt schon spürbar?
Terry Tschumi: Hier muss ich die praktische Erfahrung in den Vordergrund stellen. An unserer Schule beispielsweise wird das Studium in der Regel nebenberuflich absolviert. So können die Studierenden das Erlernte immer gleich in der Praxis hinterfragen und anwenden – der Lerneffekt ist durch diesen Transfer am grössten. Gerade diejenigen, die wirklich wollen, entsprechenden Einsatz zeigen und nebst dem Studium die praktische Erfahrung sammeln konnten, bringen es weit. Am Ende hängt der Erfolg immer an der eigenen Motivation, der Zielorientierung und der Tatkraft. Ein Abschluss wie beispielsweise ein Diplom HF ist für die Wirtschaft immer auch ein Garant dafür, dass jemand ein qualitativ hochstehendes Studium absolviert hat. Es ist auf dem Arbeitsmarkt also viel wert.
Was hat sich im Berufsleben im Zusammenhang mit Weiterbildungen Ihrer Meinung nach im Laufe der Zeit geändert?
Terry Tschumi: In den Köpfen vieler Leute hat sich die Meinung gefestigt, dass nur eine Matura und ein Studium an einer Hochschule gute Jobaussichten mit sich bringen würden. Dies führt dazu, dass Eltern und somit die Gesellschaft den Kindern und Jugendlichen von Anfang an suggerieren, dass sie unbedingt eine akademische Laufbahn angehen sollten. Die Realität spricht eine ganz andere Sprache: Praxisbezug ist gefordert. Gerade die Schweiz, welche durch den dualen Bildungsweg in vielen Ländern als vorbildlich wahrgenommen wird, bietet mit der Berufslehre einen sehr praxisorientierten Start ins Berufsleben. Lehrabschlussgängern stehen danach die Türen für ein Studium in der höheren Berufsbildung, also beispielsweise in Höheren Fachschulen (HF) offen, welche gerade diese Praxisorientierung im Fokus haben. Diese Abschlüsse wiederum bieten später Anschlussmöglichkeiten für weitere Studiengänge – dann auch im Hochschulbereich. Ein Land braucht ja nicht ausschliesslich Wissenschaftler, Doktoren und Professoren. Wenn Sie einen normalen Tag in unserer Gesellschaft analysieren werden Sie feststellen, dass echte Praktiker gefragt sind – wenn sie also beispielsweise feststellen, dass Ihr Einfamilienhaus zu viel Energie verbraucht, dann benötigen Sie nicht einen Professor, der Ihnen wissenschaftlich erklärt, wie eine Wärmepumpe funktioniert, sondern einen praxiserfahrenen Energieberater, der weiss, was praktisch zu tun ist und Ihnen einen konkreten Massnahmenplan aufstellt.
New Work Arbeitsforscher/innen bestätigen zudem folgenden Trend: Wichtig ist vielen Jugendlichen in der heutigen Zeit, dass sie in Zukunft einen Beruf ausüben, der Spass macht und bei welchem zudem der so genannte «emotionale Aspekt» stimmt….
Terry Tschumi: Gerade die junge Generation Y (geboren zwischen 1991 bis 2010) wurde geprägt von permanenten Bedrohungen wie beispielsweise die globale Erwärmung, Umweltverschmutzung, Naturkatastrophen, Schulattentate und fanatischen Terrorismus. Diese Fakten sind für sie aufgrund multimedialer Omnipräsenz immer gegenwärtig. Auch wenn diese Generation oft als verwöhnt hingestellt wird, hat sie ein starkes Bedürfnis nach Erfüllung und möchte die Welt verbessern. Hier kommt die vorhin erwähnte Sinnhaftigkeit wieder ins Spiel, welche bei der Berufswahl welche ebenso wie Spass und positive Emotionen eine grosse Rolle spielt.
Welche Vorteile hat Ihre neue Rolle als Präsidentin des Berufs- & Fachverbands für Ausbildungsfachleute AVCH in ihrem Tagesgeschäft?
Terry Tschumi: Der Ausbilderverband AVCH ermöglicht die Weiterentwicklung, den Austausch und das Netzwerken unter den Ausbildenden. Der AVCH stellt ausserdem zusammen mit der Schweizer Kader Organisation SKO eine Organisation der Arbeitswelt (OdA), die bildungspolitisch Einfluss nimmt und die Interessen der Ausbildenden vertritt. Als Präsidentin des AVCH befinde ich mich so am Puls aktueller Ausbildungsthemen, kann aktiv einen Beitrag dazu leisten, den Berufsstand der Ausbildenden zu stärken und profitiere persönlich vom grossen Netzwerk. All dies kommt mir in meiner Funktion als Schulleiterin der TEKO Basel zugute.
JoW